The (un-)simple Life

Mein Blog kommt zurück. Mit allen möglichen Themen, reisen und groundhoppen mal ausgenommen, die haben ihre eigenen Rubriken hier. Und meine Bilder samt dazugehörigen Stories gibt es immer noch auf der anderen Homepage. Was bleibt noch übrig? Ach, da findet sich schon was... ;-)

2017-03-03

Great Britain Travel Daily Life Kultur Lifestyle

... for the Brexit. Nein, damit müsst ihr, meine lieben Briten mittel- und langfristig selber klar kommen. Vielen Dank aber dafür das ihr mir mal wieder bewiesen habt, dass ihr vielleicht das kultivierteste Volk auf dem Planenten seid. Ich hatte wieder das Vergnügen ein paar Tage auf der Insel zu verbringen, wie fast immer startete der Trip in der Hauptstadt, dieses Mal standen aber noch zwei Tage in den West Midlands, genauer in Birmingham, auf der Agenda. 

Vieles ist mittlerweile sehr vertraut, so bleibt schon im Zug vom Flughafen in die Stadt viel Zeit für eines meiner liebsten Hobbies: Menschen beobachten. Ein Zug vom Flughafen in die Weltstadt London ist da natürlich ein hervorragender Mikrokosmos.

Nach einem kurzen Schläfchen im Swiss Cottage Hostel (Palmers Lodge, hatte ich an anderer Stelle glaub schon mal empfohlen) wollte ich also mal diese Ecke Londons erkunden, wegen Sturm Doris war mir mehr nach Indoor-Aktivitäten. Ja, so kann man sich einen Pub-Besuch auch schönreden. In nicht allzugroßer Entfernung vom Hostel befanden sich zwei Pubs, und da ich ja auch Hunger hatte wollte ich mal vorbeischauen. Im North Star hatten sich ein paar Männer getroffen die auf den Feierabend anstießen, da mir der Pub nicht so zugesagt hat war nach einem Pint auch schon wieder Schluss und ich steuerte zielsicher das "Ye Olde Swiss Cottage" an, most iconic Pub und so... Kennst du das wenn du in einen Raum kommst und dich sofort total wohl fühlt? Das Cottage sieht auf den ersten Blick aus wie eine Mischung aus Tea House und Pub, sehr gemütlich. Ein paar ältere Herrschaften und die deutsche Hopper-Elite waren auch da, kein Grund zu flüchten. Der Zapfhahn sieht vielversprechend aus, die Klassiker halten sich dezent im Hintergrund, ausgeschenkt werden hauptsächlich kleinere Brauereien. 

Eigentlich wollte ich ja aber auf was anderes raus, also: ein Plätzchen gesucht, neben mir eine ältere Dame mit ihrem Einkaufswägelchen, der Zeitung und einem halben Pint. Am nächsten Tisch drei ältere Herren, versammelt zum Nachtmittags-Pint. Classy Act Number 1: einer der Gentlemen steht auf um eine neue Runde zu holen, kurzer Zwischenstop bei der Lady - die kannten sich nicht, wohlgemerkt - um zu fragen ob er ihr noch etwas mitbringen dürfe. Die Dame, sichtlich erfreut, lehnt dankend ab, strahlt aber über's ganze Gesicht, ich kann mir ein Lächeln auch nicht verkneifen. Als die Dame ihr Pint leer hat und das Einkaufswägelchen abfahr bereit ist, springt einer der Herren auf und hält die Tür auf und wünscht der Dame einen guten Nachhauseweg. Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass unter dem Herren-Tisch diverse Gehhilfen lagen ;-) Wow! Okay, erstens hätte ich eigentlich auch auf die Idee kommen können, zweitens sollte ich mir da mal ne Scheibe "Gentlemen-Behaviour" abschneiden. Nicht das ich mich für einen unfreundlichen, nicht hilfsbereiten Menschen halte, aber... Kann ja nicht schaden für's Karma.

Nächster Halt: Birmingham. Unscheinbare Provinz oder "Second City". Wie auch immer. Heimat einiger ambitionierter Fussballteams auf jeden Fall, da kommt es vor das sich rivalisierende Fans über den Weg laufen. Auch für mich ist es mittlerweile zur Tradition geworden den Spieltag im Pub einzuläuten, so auch am frühen Samstagmittag vor dem Heimspiel von Aston Villa. Einer der anderen Vereine, West Bromwich Albion, war zeitgleich dran. Im "Square Peg" war die Mehrheit der Fans für Villa, ein paar WBA Fans haben sich aber auch in das Pub verirrt. Ich teile mir einen Stehtisch mit ein paar Villa Fans als ein kleiner Junge mit WBA Mütze vorbeikommt. Ohne große Worte bietet einer meiner Tischkollegen, bestimmt schon fast 60 Jahre alt, dem Kurzen seinen Fanschal an. Der Junge lehnt natürlich ab und dreht sich angewidert vom bordeaux-hellblauen Fantensil ab. Der Gentleman schaut mich an und meint lapidar "it was worth a try", ein Grinsen kann er sich natürlich nicht verkneifen. In Zeiten in denen Fans von anderen "Fans" mit Steinen beworfen werden sind das doch auch wieder schöne Szenen. Klar, auch in England spielen sich immer noch, oder wieder, hässlichere Szenen im Umfeld der Spiele ab, trotzdem war es für mich ein Lichtblick wie man mit etwas Humor mit anderen Fans umgehen kann. 

Zurück in London, Tatort "The Bancroft Arms". Das Ligapokalendspiel zwischen Manchester und Southampton geht in die letzten Spielszenen, Manchester gewinnt, die meisten anderen im Pub sind auch eher für den Underdog aus dem Süden. Das Bancroft Arms liegt aber tief im West Ham Gebiet. Ich komme mit einem älteren West Ham Fan ins Gespräch, ich erkläre ihm das meine Sympathien eher auf Southamptoner Seite liegen, ich den Titel aber Basti Schweinsteiger gönnen würde, auch wenn er leider nicht zum Einsatz kam. Ich schiebe vorsichtshalber noch schnell hinterher das ich ja Deutscher bin und Schweisteiger so etwas wie ein Held für uns ist. Nicht "so etwas", er ist einer. Punkt. Er überlegt dann kurz und sagt dann "I can really understand why you guys like him so much". Leadership, Sportsgeist und all die Qualitäten die Schweinsteiger in den schwierigen Monaten unter Mourinho geziegt hat werden in England sehr geschätzt. Mehr als in Deutschland, was man auch deutlich in der medialen Betrachtung der Geschichte sehen konnte. In Deutschland war Schweinsteiger stehts das Opfer, in England der Gentleman der seinen Stolz wahrt und sich mit erhobenem Kopf versucht wieder ins Team zu bringen. Ohne ein böses Wort zu verlieren. 

Nicht vergessen ist auch die WM 2014 auf der Insel. Das imponiert den Fans hier, ganz gleich von welchem Team ein Spieler kommt. Die oben schon erwähnten Qualitäten werden auch beim Gegner geschätzt und man gibt es auch offen zu. Der Herr im Pub hat das noch etwas weiter ausgeführt und meine Wahrnehmung der Causa Schweisteiger nur bestätigt. Thanks Sir! 

Reisen bildet, man lernt die Vorzüge anderer Völker einfach zu schätzen wenn man unterwegs ist und ich hoffe immer ein bisschen etwas für mein eigenes Leben aufschnappen zu können... 

In diesem Sinne!